Von Manfred Bechtel |
„Kann
man in den Garten reinschauen? Ich dachte, da wäre noch so etwas
wie ein Innenhof versteckt?" Fast ein wenig enttäuscht klang
eine Besucherin, die gestern Nachmittag an einer der beiden Fü�hrungen
teilgenommen hatte, die dem ehemaligen Harmonie-Garten und der Theaterstraße
galten. Nein, nicht verborgen hinter Torbögen und in Innenhöfen
muss man dieses Denkmal suchen, sondern begraben unter Pflaster, Asphalt
und Beton. „Heute ist der Bereich des ehemaligen Harmonie-Gartens
gegen�über dem Theater zu einem Parkplatz degradiert",
schreibt der Verein "B�ürger f�ür Heidelberg"
in einer Broschü�re, in der er sich f�ür das Wiederentstehen
der Oase einsetzt mit all ihren Bäumen, deren Blätter im Sommer
ein Schatten spendendes grü�nes Dach bilden.
In diesem
Jahr bot der Verein am "Tag des offenen Denkmals" in Zusammenarbeit
mit dem Heidelberger Geschichtsverein diesen Programmpunkt erstmals an
und warb dabei f�ür das Ziel, den als Autoabstellplatz missbrauchten
fr�üheren Garten wieder herzustellen. „Wenn Ende 2012
das Stadttheater seinen Spielbetrieb aufnimmt", gibt der Verein zu
bedenken, „wäre es schade, wenn der Zugang zum neu eröffneten
Theater ein Provisorium bleibt."
In der
Hauptstraße, vor den Schriftzü�gen der Kinos "Harmonie"
und "Lux" begann Dr. Hermann Lehmann von "Bü�rger
f�ür Heidelberg" seine Fü�hrung. Vor den Befestigungsmauem
lag einst das Areal, erläuterte er, ehe im 14. Jahrhundert die Stadt
nach Westen erweitert wurde. Der Wormser Bischof ließ hier bald
ein Stadtpalais errichten, es �überstand als eines der wenigen
Gebäude den Orleans'schen Krieg, und nach Besitzerwechseln kaufte
die Harmonie-Gesellschaft 1840 das Anwesen.
Pflege der geselligen Unterhaltung und des politischen Bewusstseins prägten
die Ziele dieser b�ürgerlichen Vereinigung. Die Gesellschaft
selbst besteht seit Langem nicht mehr, nur noch der Name des Kinos erinnert
an sie. Pfarrer Kneipp aus Wörishofen sprach hier ü�ber
seine Gesundheitslehren, auch wurde der Garten der Harmonie f�ür
Festlichkeiten und Konzerte verwendet. „In der Harmonie-Gesellschaft",
wusste Dr. Lehmann zu berichten, „wurde 1896 auch der erste Film
in Heidelberg gezeigt."
„Was
passiert, wenn das Kino zumacht?" war eine Frage aus dem Zuschauerkreis,
auf die auch Dr. Lehmann keine Antwort geben konnte. Zur Gestaltung der
versiegelten Fläche hinter dem Kino aber gab er eine klare Antwort:
Wenn der zum Theater gehörende rote Bauzaun verschwunden ist, muss
unter den neun Platanen und der Kastanie wieder ein öffentlich nutzbarer
Raum f�ür Bewohner und Gäste der Altstadt entstehen, ein
Platz zum Verweilen, ein Platz frei von Konsumzwang, auf dem sich nicht
zuletzt auch die Theaterbesucher in der Pause ergehen können. Oder
wie eine Anwesende bemerkte: „Je älter ich werde, desto mehr
brauche ich etwas Gr�ün in der Altstadt, wo ich mich hinsetzen
kann."
(i) Info: Mehr Informationen
gibt es in der Brosch�üre "Der ehemalige Harmonie-Garten
und die Theaterstraße in Heidelberg", herausgegeben vom Verein
"B�ürger f�ür Heidelberg". Das Heft ist
zum Preis von drei Euro erhältlich in Buchhandlungen oder bei:
kurpfaelzischer.verlag@t-online.de

Sehr
interessiert zeigten sich die Besucher der Führung im ehemaligen
Harmonie-Garten.
Foto: Hentschel
|
von Petra Nellen |
Der Verein Bürger für
Heidelberg hat anlässlich der Diskussionen um die Neugestaltung
des Areals von Theaterstraße und ehemaligem Har-moniegarten eine
engagierte Broschüre mit historischem Schwerpunkt herausgegeben.
Die reich bebilderte Schrift beabsichtigt nicht die Präsenta-tion
neuer Forschungsergebnisse, sondern will auf der Grund-lage historischer
Befunde informieren und einen Beitrag zur aktuellen stadtpolitischen
Diskussion um die Gestaltung der historischen Altstadt leisten
In
einem ersten Teil werden stadt- und baugeschichtliche Aspekte beginnend
mit der Vertreibung der Juden 1390 aus Heidelberg und der Anlage der
Vorstadt präsentiert. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der
Gründung der Harmonie-Gesellschaft mit Sitz im ehemaligen Worm-ser
Hof und dem Neubau des Harmoniegebäudes. In diesem Zusam-menhang
entstand auch der Harmonie-Garten, der heute stadtplanerisch im Zentrum
des Geschehens steht.
Da
dieser Bereich nicht getrennt von den Planungen für die Thea-terstraße
betrachtet werden kann, wird in einem zweiten Teil auch dieser Abschnitt
inhaltlich berücksichtigt Der Schwerpunkt liegt hier vor allem
bei historischen Persönlichkeiten, die - insbesondere im 19. Jahrhundert
- in der Theaterstraße wohnten.
Der
dritte inhaltliche Schwerpunkt liegt auf den Planungen und städtebaulichen
Initiativen seit den 1970er Jahren. Im Zuge der Altstadt-sanierung sollte
diese vom fließenden und ruhenden Autoverkehr befreit werden,
um die Lebensqualität zu verbessern. Neue Aktualität hat das
Thema durch zwei Ereignisse gewonnen: die voraussichtliche Schließung
des Kinos Harmonie-Lux und die damit verbundenen Pläne für
ein Einkaufszentrum inmitten der Altstadt sowie die Theatersanierung
und die Diskussion um die Neugestaltung des Areals in seiner un-mittelbaren
Umgebung
In
diese Diskussion schaltet sich der Verein Bürger für Hei-delberg
- nicht nur - mit der vor liegenden Schrift engagiert ein. Dabei wird
die frühere Harmoniegesellschaft zum Dreh- und Angelpunkt der Argumentation.
Diese wurde 1832 gegründet und reiht sich in die Entstehung der
bürgerlichen Lesegesellschaften des Vormärz nahtlos ein In
Heidelberg entstand zunächst die Museumsgesellschaft, dann aber
auch die Harmoniegesellschaft. Diese verstand sich als nicht ganz so
exklusiv; hier wurden vor allem Kaufleute, Handwerker, Beamte, aber
auch Tagelöhner Mitglied. Hier wurde bürgerliche Geselligkeit
gepflegt, sie war ein Ort der Information; der Bildung, der Kultur
und der Politik. Vor allem während der badischen Revolution bot
sie den Liberalen ein Diskussionsforum. Sie war „Treffpunkt und
Informationsbörse für jedermann".
Im
Engagement des Vereins Bürger für Heidelberg mit der For-derung
nach einer Gestaltung des Raumes als Begegnungsort für Hei-delberger
und Besucher, und zwar ohne kommerzielle Nutzung, verbin-den sich aktuelle
Gestaltungswunsche mit der Rückbesinnung auf die historischen Wurzeln.
Hier formiert sich eine gedachte Kontinuität von der bürgerlichen
Geselligkeit der Harmonie-Gesellschaft hin zu konsum-zwangfreien Lebensräumen
in der heutigen Altstadt. Zumindest mit der im Gemeinderat beschlossenen
Interimslösung zur Gestaltung des Platzes ist dies zunächst
mehr oder weniger gelungen. Die Broschüre ist ein Dokument des
Versuchs, diskursiv den verantwortlichen Umgang mit dem historischen
Erbe und eine neue Lebensqualität miteinander zu vereinbaren.
|
|