STADTBLATT -
Amtsanzeiger
der Stadt Heidelberg
Nr.12/ 20.März 2002 |
Ein Altstadthaus im Wandel der
Zeiten
"Die so genannte Judenschule" - Hermann Lehmanns Geschichte
des Hauses Dreikönigstraße 10 .
Sechs Jahrhunderte Stadtgeschichte lässt Herrmann W. Lehmann in seinem
Buch "Die so genannte Judenschule" lebendig werden. Nebenher
erfährt der Leser - und natürlich die Leserin, beherbergte das
Haus doch zeitweilig das Frauenzentrum - eine Menge Wissenswertes wie
Skurriles über das Leben in der Altstadt im Wechsel der Zeiten.
Das Buch über die Dreikönigstraße 10 ist der zweite Band
in der Reihe "Die Häuser der Judengasse in Heidelberg".
Umbenannt wurde sie 1832 nach dem in der Hauptstraße gegenüber
gelegenen Wirtshaus zu den drei Königen - "auf Wunsch der Anwohner,
die des Namens wegen nur schwer Zimmer an Studenten vermieten konnten".
Die Geschichte des Hauses lässt sich bis ins Jahr 1399 zurückverfolgen.
Im Laufe der Jahrhunderte nutzten sehr unterschiedliche Personengruppen
das Anwesen, zu dem seit Anfang des 18. Jahrhunderts auch die Bussemergasse
1a gehört. Darunter waren Fischer und Schreiner, Bedienstete des
Kurfürsten, der erste jüdische Universitätsprofessor Heidelbergs,
die reformierte Kirche und schließlich der Autor selbst, in dessen
Besitz es sich heute befindet.
Dass Lehmann bei den Nachforschungen so viel Erfolg hatte, verdankt er
einem historischen Zufall. Angrenzende Grundstücke befanden sich
über lange Zeit im Besitz der Universität, des Deutschen Ordens
und der Kirche, deren Archive erhalten sind. Wie das Haus zu der Bezeichnung
"ehemalige Judenschule" kam, ist nicht überliefert. Als
Synagoge, so der Autor, habe es jedenfalls nicht fungiert. Zwischen 1806
und 1813 war es Schulhaus für christliche und jüdische Kinder
- hier dürfte die Quelle für die Bezeichnung Judenschule zu
suchen sein, so Lehmann.
Wer sich für die jüngste Geschichte des Hauses interessiert,
dem sei der Einstieg auf Seite 163 empfohlen. Es sind die wilden Siebziger,
das Frauenzentrum musste unter Polizeigewalt dem Parkhaus Plöck weichen
und fand in der Dreikönigstraße 10 eine neue Bleibe. Lehmann
und andere Kritiker der damaligen Stadtplanung gründeten die "Bürger
für Heidelberg". Der Oberbürgermeister war nicht amüsiert
und wollte den Autor eigenhändig vor seine "Bruchbude in der
Dreikönigstraße" tragen, um ihn über die "Sozialverpflichtung
eines Eigentümers" zu belehren.
Die "Bruchbude" ist inzwischen in Ordnung gebracht und auch
um die Nutzer ist es ruhiger geworden: Im Vorderhaus geht ein Geigenbauer
seiner Arbeit nach, das Hinterhaus bewohnt der Verfasser. (rie)
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